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6. Januar 2023

BGM ganz praktisch: Tipps für Betriebe

Warum ein Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) für Unternehmen in Deutschland wichtig ist und wie man es konkret angeht, erläutert UF-Mitglied Willy Graßl, Inklusionsbeauftragter beim Flughafen München und ausgebildeter Resilienz- und Business-Coach.

Warum ist ein Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) wichtig?

Graßl: Das BGM umfasst alle Themen, die Einfluss auf die Gesundheit und die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten haben. Wichtig ist, dass diese zusammengehörenden Themen übergreifend betrachtet werden. Eines muss immer klar sein: Gesundheitsmanagement macht man nicht aus sozialen Gründen. Es geht darum, dass ein Unternehmen leistungsfähig und wirtschaftlich erfolgreich ist. Ziel ist, die Arbeitsfähigkeit zu fördern oder zu erhalten. Aber wenn man es systematisch angeht, kann ein BGM an vielen weiteren Punkten Wirkung erzeugen, z. B. bei der Unternehmenskultur.

Wie können Mittelständler konkret mit einem BGM starten?

Der erste Schritt ist, sich über BGM zu informieren: Was brauchen wir ganz konkret in unserem Unternehmen und warum machen wir das? Dann kann man es anpassen und auf den eigenen Betrieb zuschneiden.

Im zweiten Schritt wird das Bestehende betrachtet. Da gibt es zum einen die „Big Five“ des BGM, die gesetzlich vorgegeben sind: Arbeitssicherheit, Arbeitsmedizin, Betriebliches Eingliederungsmanagement, Inklusion und Suchtprävention. Zusätzlich schaue ich mir die betrieblichen Maßnahmen an, die mit dem Thema Gesundheit zu tun haben, etwa Personalentwicklungsmaßnahmen und Präventionsangebote – z. B. im Bereich Gesundheit und Bewegung.

Der dritte Schritt umfasst die Bewertung: Wie wichtig sind die einzelnen Themen für mein Unternehmen und welchen Nutzen haben sie? Wie viel Geld gebe ich aus, wie wirken die einzelnen Bereiche zusammen?

Welcher Aspekt der „Big Five“ ist besonders herausfordernd?

Bei der Suchtproblematik sind Führungskräfte unglaublich unsicher. Wenn jemand morgens zu spät zur Arbeit erscheint, weiß man, wie man darauf reagiert. Beim Thema Sucht aber ist das nicht der Fall. Ich empfehle, klare Regeln zu erstellen, an denen sich Mitarbeiter orientieren können. Ich bin z. B. kein Fan von einem 100-prozentigen Alkoholverbot. Bei einem Geburtstag oder einer Feier wird häufig ein Glas getrunken. Ich plädiere für eine „Punktnüchternheit“: Nüchtern mit der Arbeit beginnen, nüchtern beenden. Danach kann gerne etwas zusammen getrunken werden. Ferner rate ich, in der Ansprache auf die Auffälligkeiten zu gehen.

Was bedeutet das?

Ein Stufenplan hat sich bewährt. Bei einer ersten Auffälligkeit – wenn z. B. ein Mitarbeiter am Arbeitsplatz Drogen nimmt oder Alkohol trinkt – spreche ich den Mitarbeiter an und nenne ihm die Erwartungen, die ich an ihn habe. Passiert es zum zweiten Mal, spreche ich ihn wieder an. Nach dem dritten Mal muss ich konsequent sein und eine Abmahnung aussprechen. Der nächste Schritt ist dann die Kündigung.

Welche Angebote im Bereich Gesundheitsförderung sollte jeder Betrieb haben?

Neben den gesetzlich vorgesehenen „Big five“ sollte man schauen, welche Erkrankungen im Unternehmen häufig auftauchen. Allgemein betrachtet haben Muskel-Skelett-Erkrankungen die höchste Relevanz. Wir haben einmal für ein Unternehmen ein Muskel-Skelettprogramm entwickelt: Alle Mitarbeitenden, die auf dem Gebiet Probleme hatten, erhielten einen Privattermin beim Physiotherapeuten. Der Arbeitgeber hat das bezahlt. Dadurch habe ich den Kreislauf umgedreht: Sonst gehen Mitarbeiter erst zum Arzt, dann zum Orthopäden und dann zum Physiotherapeuten. Die andere Vorgehensweise hat zu weniger Krankschreibungen geführt. Weitere Beispiele sind ergonomisch gestalte Arbeitsplätze oder Bewegungsangebote. Immer wichtiger werden Themen wie Stressprävention und Achtsamkeit. Und eine wichtige Frage ist: Wie kann ich Menschen in Bewegung bringen, ohne dass sie es bemerken? Das kann auch bedeuten, dass der Drucker nicht mehr im Büro steht.

Psychische Erkrankungen nehmen immer weiter zu. Warum?

Menschen können schlecht mit Unsicherheit, Ängsten und Isolation umgehen. Diese durch Corona ausgelösten Effekte halten weiterhin an. Aktuell haben viele Angst vor Krankheit, vor einem Arbeitsplatzverlust, vor Krieg oder steigenden Kosten. Das Gefühl der Überforderung ist gewaltig. Daraus leiten sich viele psychischen Störungen ab. Umso wichtiger ist ein BGM, das sich auch mit diesen Themen beschäftigt.